Ich habe da mal ein paar Fragen...

Ihr kennt ja schon meine Cousine Katharina Helena. Sie begleitet mich in meinem Leben, seitdem sie auf der Welt ist. Ich war 10 Jahre alt, als sie das Licht der Welt erblickte und sie war für mich das hübscheste Baby, das ich jemals sah. Ihre wunderschönen strahlenden Augen, dieses braun glänzende Haar; Ein umwerfendes Baby und heute – knapp dreißig Jahre später – eine umwerfende Frau.

Heute ist Katharina an meiner Seite, unterstützt mich bei meiner Arbeit, wenn ihre eigene es zulässt. Und immer wieder kommen Fragen auf und gerade jetzt zu einem mir sehr am Herzen liegenden Thema.
Vor einem Jahr gründete ich mit sechs anderen wundervollen Frauen unseren Verein Lillebö e.V., der die Familien von Sternenkindern in vielerlei Hinsicht ehrenamtlich unterstützt. So kam es, dass ich im vergangenen Monat die Trauerfeier eines Sternenkindes begleiten durfte und Katharina während meiner Vorbereitungen auf mich traf und sich fragte, wie Betroffene mit solch einem Schicksal zurecht kommen und was dieses mit mir macht, wenn ich die Eltern und Familien von Sternenkindern am Tag der Beisetzung Ihres Kindes, das sie sich so sehr wünschten, begleite.

Lest gern, was Katharina bewegt…

K.: 1.) War es das erste Mal für Dich… ein Sternenkind beerdigen?
S.: Nein, bereits mehrere Male stand ich Eltern zur Seite, als sie sich von ihrem Sternenkind verabschiedeten. Es ist jedes Mal wieder in ganz besonderer Art und Weise sehr emotional, auch für mich. Sich verabschieden und zu trauern um ein Leben, das nicht leben durfte, ist eine außergewöhnliche Situation, die man in Worten tatsächlich nur schwer beschreiben kann.

K.: 2.) Hast Du Dich anders auf diesen Tag vorbereitet als sonst?
S.: Auch wenn es nicht das erste Mal gewesen ist, die Vorbereitung ist schon irgendwie anders als für Trauerfeiern, die ich sonst begleite. Da ich selbst Mutter von zwei kleinen Kindern bin, fühle ich so intensiv mit wie selten.

K.: 3.) Ist das Gefühl ein anderes, als wenn Du einen alten, vielleicht schon lange erkrankten Menschen beerdigst, der sein Leben leben durfte?
S.: Über ein Kind zu sprechen, das das Leben nicht oder nur sehr kurz leben durfte, ist schon eine besondere Herausforderung. Hat dieser strahlende Stern jedoch ebenso wie jedes andere Herz, das einst schlug, jedes Recht, in vollem Umfang wahrgenommen zu werden und einen würdevollen Abschied bereitet zu bekommen. Dafür setze ich mich ganz besonders gern ein. Denn für die Eltern bedeutet dieser kleine Stern die Welt.

K.: 4.) Ist das Gespräch, das Du mit den Betroffenen führst, anders… emotionaler oder auch trauriger?
S.: Das ist immer ganz unterschiedlich. Jede Familie durchlebt eine Zeit, die genauso noch kein anderer erlebt hat. Manche Familien sind gefasster als andere, manche zerfließen in Trauer, wiederum andere lenken sich ab, um nicht immer wieder den Erinnerungen dieses so schmerzlichen Verlustes ausgesetzt zu sein. Jeder geht seinen eigenen Weg. Bei all den Gesprächen, die ich führe mit Familien, die einen Angehörigen aus ihrer Mitte heraus verloren haben, gibt es auch für mich immer wieder Momente, die mich emotional und vor allen Dingen auch traurig werden lassen. Und da bin ich dazu bereit, mitzutrauern, um einen Menschen, der ein langes und erfülltes Leben leben durfte wie auch mitzutrauern, um einen kleinen Menschen, dem es nicht vergönnt war, sein Leben zu leben.

K.: 5.) Was würdest Du sagen, wie lange Dich der Tod bzw. die Geschichte der verstorbenen Person beschäftigt, egal ob alt oder jung?
S.: Auch das ist ganz verschieden. Ich habe schon oft darüber nachgedacht und mich auch immer wieder dabei beobachtet und reflektiert, wie ich mit den vielen Schicksalen selbst umgehe. Dazu kann ich sagen, dass Lebenssituationen, die meiner eigenen derzeitigen ähneln, stets die sind, die mich sehr ergreifen. Doch ist es manchmal auch einfach ein ganz besonderer Mensch, den ich vielleicht nur ein wenig oder meist eben auch gar nicht kannte oder eine besondere Lebensgeschichte, die mir noch Wochen nach der Beisetzung immer wieder in den Sinn kommt. Eine große Rolle spielt dabei natürlich auch das Verhältnis, das ich zu den jeweiligen Angehörigen aufbaue. Manchmal werden aus diesen Begegnungen intensive Bekanntschaften und einige wenige Male habe ich durch meine Arbeit sogar wahre Freunde finden dürfen. Und so gesehen beschäftigt mich dann die Lebensgeschichte eines Verstorbenen womöglich für den Rest meines Lebens.

K.: 6.) Was schenkt Dir diese Arbeit, bzw. was gibt es Dir persönlich, in dem Verein Lillebö e.V. tätig und für andere da zu sein?
S.: Meine Arbeit und eben auch die ehrenamtliche Vereinsarbeit, das ist mein Herz. Der Muskel, der mein Blut durch den Körper pumpt, die Kraftquelle, die mich versorgt mit allem, was ich brauche. Ich liebe meine Arbeit neben meiner Familie über alle Maße, ich führe sie mit großer Freude aus. Ich habe die Möglichkeit, Menschen zu gedenken, sie noch einmal wieder in Erinnerung zu rufen innerhalb unseres Lebens. Jedes Leben, war es noch so kurz, hat so unglaublich viel Wert für mich in unserer Welt, diese Welt, die verändert wird durch jeden einzelnen Herzschlag. Und als Teil des großen Ganzen darf ich es sein, der Menschen dazu auffordert, nicht zu vergessen, sich stets zu erinnern, Glück zu empfinden für das eigene Leben und innerhalb dieses Lebens im besten Falle etwas Gutes zu schaffen, an das sich dann wiederum andere erinnern werden. Das erfüllt mich.
Die Arbeit in unserem Verein Lillebö e.V. unterstreicht mein Bedürfnis einmal mehr, uns Menschen aufzuzeigen, dass wir niemals allein sind, dass es immer irgendwo Menschen gibt, die für uns da sind und uns helfen, wenn wir denn Hilfe möchten. Wir alle sind hier und keiner von uns ist allein. Lasst uns füreinander einstehen, jeder so, wie er kann und möchte.
Ich meinerseits möchte geben. Das, was ich habe, möchte ich geben; meine Schulter zum Anlehnen, mein Ohr zum Zuhören, meine Arme, um zu halten, festzuhalten. Ich möchte einfach nur da sein.

Von Herzen, Eure Sabrina